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Dorfstruktur

„Die Vergangenheit im JETZT lebendig zu halten, ist eine schöne Herausforderung.“

Dr. Alice-Anna Schröder-Klaassen
Referatsleiterin Sammlung und Ausstellung

Dr. Alice-Anna Schröder-Klaassen

Planung eines Dorfes im Museum

Das Paderborner Dorf ist die größte und zugleich inhaltlich vielfältigste Baugruppe im Freilichtmuseum. Sie umfasst circa 40 Bauten
vom Spätmittelalter bis zur Neuzeit und ist den typischen Siedlungs- gegebenheiten im südöstlichen Westfalen (Kreise Höxter, Paderborn, Teile der Kreise Lippe, Soest und Gütersloh sowie Hameln-Pyrmont und Holzminden an der Weser) im Entwicklungszustand
um 1900 gewidmet. Bei der Planung wurden die Dörfer Godelheim und Sommersell aus dem Kreis Höxter als Vorbilder berücksichtigt.

Die vorherrschende Siedlungsform im Südosten Westfalens ist das Haufendorf. Es entstand im späten Mittelalter aus älteren Einzelhöfen und Weilern (kleinen Höfegruppen) des Hochmittelalters. Um mittelalterliche Pfarrkirchen entstanden große Kirchspieldörfer als geistliche Mittelpunkte.

In der frühen Neuzeit kam es durch Bevölkerungsanstieg zu einer Siedlungsverdichtung in den Dörfern, etwa durch Ansiedlungen von Köttern (ab dem 16. Jahrhundert) und Bewohnern von kleinen Hausstätten (18. / 19. Jahrhundert). Typische räumliche Strukturen des entwickelten Dorfes sind ein Straßen- und Wegenetz, ein
Ortsmittelpunkt mit Kirche und Kirchhof an einem Anger oder Brink (Dorfplatz). Größere Höfe lagen entweder im Randbereich oder an der Hauptstraße. Dazwischen siedelten sich kleinere Hausstätten an, die durch angelegte Zwischenwege erschlossen wurden und die innerörtliche Vernetzung vorantrieben.
 

Wie entsteht ein Dorf im Museum?

Das Planungskonzept für die Baugruppe Paderborner Dorf basiert auf umfangreichen Recherchen von 1973, die 1985 wiederaufgenommen wurden. Ein überarbeitetes Konzept wird bis heute fortgeschrieben. Von Anfang an standen neben dörflichen Siedlungsmerkmalen auch immer schon kleinstädtische Strukturen mit im Fokus.

Letztendlich entschied oft nur der rechtliche Status, ob es sich bei einer geschlossenen Siedlung um ein Dorf oder um eine Kleinstadt handelte. Die Unterschiede waren zum Teil also gering.

Das städtische Element ist schon bei den ersten Aufbauten des Paderborner Dorfes in den 1970er und 1980er Jahren enthalten gewesen. So etwa der Schönhof aus Wiedenbrück, das Haus Stahl aus Gütersloh, das Haus Düsterdieck aus Holzminden und das Handwerker- haus aus Blomberg. In jüngerer Zeit kamen im Osten

des Paderborner Dorfes noch das Haus Schwenger aus Rheda und das Haus Roland aus Obermarsberg hinzu.

Typisch für ein Dorf, Großdorf oder eine kleine Stadt der Neuzeit ist deren sehr gemischte Sozialstruktur. Um 1900 waren in der Regel in den Dörfern nur noch zehn Prozent der Bewohner im Hauptberuf Landwirte. Die übrigen Bewohnerinnen und Bewohner erwarben ihr Einkommen mit landwirtschaftlichem Nebenerwerb, als Handwerker, Gastwirte, Kaufleute, Tagelöhner, Altenteiler, Knechte und Mägde. Darüber hinaus gab es einzelne Amtsträger, wie zum Beispiel den Pfarrer, einen Rentmeister oder Verwalter sowie Lehrer.

Diese Vielfalt spiegelt sich in der Baustruktur des Paderborner Dorfes wider. Neben betont ländlich- bäuerlichen Hausstätten gibt es auch solche mit stärker städtischem Charakter. Sonderbauten, wie etwa eine Schule oder eine Kirche mit Friedhof, könnten in Zukunft noch ergänzt werden